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Die Nacht der Zeitwächter von Elya C. Moss

Können sie die Welt gemeinsam retten?

 

Minna ist ein zehnjähriges Mädchen aus einer zerstörten Zukunft. Sie lebt zusammen mit anderen Kindern und befindet sich seit dem Tod der Eltern auf dauerhafter Flucht. Doch nicht nur Soldat:innen jagen die Kinder, sondern auch der Hunger treibt sie an und leider kommt es regelmäßig vor, dass eines der Kinder einschläft, ohne nochmals aufzuwachen.

 

Traudel lebt in der Gegenwart, die bereits jetzt den Grundstein für diese grauenhafte Zukunft legt. Sie ist eine Heilerin, verbirgt aber ihre magischen Fähigkeiten vor ihrer Umwelt und lebt in einem beschaulichen Dorf und hat Freund:innen. Als ihr gesagt wird, dass sie Minna zu sich holen soll, weil nur Minna die Welt noch retten kann, zögert Traudel. Aber schließlich holt sie das traumatisierte Kind zu sich in ihre Zeitebene.

 

Kann sie Minna rechtzeitig genug gesund pflegen und anleiten, bevor es zu spät ist, und die Zukunft genauso so eintritt, wie Minna sie kennt?

 

Der Autorin Elya C. Moss gelingt mit dem ersten Teil der Elmirin-Reihe ein clever geschriebener und fein gewobener Mix aus Dystopie, Fantasy und Gesellschaftskritik. Etwas, was den Roman hervorhabt, ist die Erzählperspektive. Durch den/der auktorialer Erzählenden blicken wir auf den Alltag von Minna und Traudel, aber auch auf den von zahlreichen Nebenfiguren. Ich selber lese sehr wenige Bücher mit dieser Erzählperspektive, aber ich muss sagen, dass es mich nicht gestört hat und ich die ganze Zeit wohl umsonst Vorbehalte hatte.

 

Die Figuren sind tief erzählt und gut durchdacht. Das betrifft Traudel, der man die ältere Weisheit genauso abnimmt, wie Minna die Hitzigkeit und natürlich auch die tiefe Traumatisierung. Und auch die Nebenfiguren sind gut erzählt. Einige lernen wir so gut kennen, dass wir auch in ihr Innenleben blicken dürfen. Einige sind Freund:innen von Minna und Traudel, andere sind Gegner:innen und die oder andere Figur ist weder das eine noch das andere. Hier ist besonders hervorzuheben: Der Bully der Schule, der in Minnas Schuld steht und zwischen dem und Minna eine besondere Freundschaft entsteht. Wenn ich etwas kritisieren müsste, wäre es vielleicht das: Noch ein wenig mehr von diesen grauschattierten Figuren hätten die Geschichte bereichert. Die Entwicklung dieser nicht eindeutig zuordenbaren Figur ist köstlich zu lesen.

 

Die Figuren erleiden Schäden, manche sind nicht heilbar. Auch wenn körperliche Wunden durch Magie meist recht schnell heilen können, verbleiben seelische Kratzer, und manche sind sehr tief und benötigen sehr viel Zeit um zu heilen - oder tun dies nie. Das rechne ich der Autorin sehr hoch an. Sie ist zwar hoffnungsvoll, gleichzeitig auch unerbittlich, unbarmherzig und kompromisslos. Und genau das braucht es auch, wenn man die Leserschaft gespannt halten möchte.

 

Fast nebenbei, unaufdringlich spannt sich über das ganze Abenteuer eine clevere Gesellschaftskritik. Sanft, aber doch immer wieder steckt die Autorin den Finger in die Wunder, kitzelt die Lesenden und fordert sie zum Nachdenken auf. Sie präsentiert dabei keine Antworten, aber Möglichkeiten. So wie Traudel Minna überlässt, ob sie eine genderneutrale Bezeichnung verwendet oder sich vegan ernähren möchte, überlässt sie auch den Lesenden die Interpretation des Gelesenen.

 

Man merkt dem Buch an, dass es der erste Teil einer Reihe ist. Drei Bücher sind bisher erschienen. Von dem Instagramkanal der Autorin weiß ich, dass weitere Bücher geplant sind. Zum großen Teil besteht der vorliegende erste Teil daraus, die Figuren wie auf einem Schachbrett zu platzieren, die Settings zu beschreiben, die Figuren vorzustellen, die Funktionsweise der Magie darzulegen. Traudel muss Minnas Vertrauen gewinnen, sie gesund pflegen, sie schließlich anlernen. In der Magie, genauso wie mit alltäglichen Dingen wie Lesen und Schreiben. Erst im letzten Fünftel dreht die Autorin die Spannungsschrauben nochmal ordentlich an und der Kampf um eine lebenswerte Zukunft beginnt.

 

Ich kann diesen ersten Band sehr empfehlen und vergebe mit ruhigen Gewissen 4,5 Punkte. Natürlich werde ich weiterlesen, ich möchte wissen, wie es den Figuren weiter ergeht. Das Finale ist äußerst spannend und lädt dazu ein, möglichst zeitnah weiterzulesen. Ich danke Elya C. Moss herzlich für das Schreiben dieser ganz besonderen Dystopie.

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