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Drei Meter über Null von Esra Groll

Gefühlvolle queere Slow Burn mit Mental Health und Themen wie Neuanfang, Selbstfindung und Beziehung

 

Felix ist seit vielen Jahren mit Johannes zusammen und lebt einen recht unspektakulären Alltag. Doch nun steht ein Jobwechsel an, was ihn ziemlich umtreibt. Um sich vor dem Beginn des neuen Jobs etwas zu erholen, reist er zu einer alten Freundin Marie und deren Familie an die Ostsee. Dort trifft er auf Alexander, der mit Veränderungen ganz anders umgeht und viel pragmatischer ist. Die beiden verstehen sich erstaunlich gut, doch dann wird Felix' Angst vor der Zukunft immer größer.

 

Esra Groll ist mit dem vorliegenden Buch nicht nur eine gefühlvolle queere Slow Burn Romance gelungen, sondern auch sehr tiefe, nahbare Charaktere, die sich weit über die beiden Protagonisten Alexander und Felix ausbreiten. Felix' Partner Johannes zum Beispiel ist ein sehr faszinierender Charakter. Alleine wie er auftritt, konnte ich mir sehr direkt ein Bild von ihm machen, welches von der Autorin gekonnt aber auch auch wieder in Frage gestellt wird. Eine meiner Lieblingsszenen ist ein Gespräch zwischen Johannes und Felix am Ende des Buches. Ich, die wirklich nur sehr sehr sehr selten weint, hatte Tränen in den Augen.

 

Aber auch Maries Familie ist gut gelungen. Marie selber, eine starke, sympathische Frau, die nicht wie so oft in sogenannten "Gay Romance" in die zickige Ecke gestellt wird, oder auf Grund ihrer Schwangerschaft zu einem absoluten Muttertier mutiert, hat mir als Figurenzeichnung sehr gut gefallen. Sie ist ein sehr gut ausgearbeiteter Charakter und starke Frauenfigur Ich liebe die Szene, als sie mit Felix zusammen das neue Zimmer fürs Baby herrichtet. Ich sag nur Leiter. Herrlich! Doch auch ihr Mann und ihre kleine Tochter sind unglaublich süß und sehr lebensnah.

 

Tiefe, lebensnahe Figuren schafft die Autorin aber nicht nur bei den auftretenden Nebenfiguren, sondern auch bei Nebenfiguren, die gar nicht direkt auftreten, wie zum Beispiel das alte Paar, deren Haus Alexander renoviert. Ich habe selten so viel Leben in Figuren lesen dürfen, die nur in Erzählungen oder der Erinnerung einer anderen Figur existieren. Sehr bewundernswert!

 

Besonders beeindruckt hat mich auch der Schreibstil. Er ist poetisch schön, der Ostsee würdig, aber gleichzeitig auch leicht zu lesen, sodass ich das Buch in nur wenigen Tagen durchhatte (und ich bin eine sehr langsame Leserin).

 

Die Themen, die angesprochen werden wie Selbstfindung, Mental Health, Umgang mit Verlust, Umgang mit Beziehungsproblemen, Umgang mit Beziehungen, die über mehrere Jahre bestehen, berufliche Findung, Angststörung etc. werden alle mit viel Sensibilität thematisiert und ohne Klitsches aufgearbeitet. Sogenannte "Dreiecksgeschichten" mag ich in der Regel nicht, hier aber werden alle Figuren mit viel Respekt behandelt und ja, manchmal tun sich Menschen gegenseitig weh, ohne selbst böse sein zu wollen. Es sind vielleicht alte Verletzungen, nicht angesprochene Konflikte etc. die uns zum Handeln bringen.

 

Mit Alexander haben wir auch einen bisexuellen Charakter, was mich sehr gefreut hat, besonders weil auch das nicht klischeehaft behandelt wird, sondern mit viel Respekt und natürlich eingeflochten wird. Das hat mir sehr gut gefallen.

 

Als einziger Kritikpunkt, der mir einfällt, wäre der Aspekt, dass die Slow Burn gegen Ende dann doch ganz schön schnell an Tempo gewinnt. Ich hätte das Tempo gar nicht gebraucht, mir hätte eine langsame Erzählweise deutlich besser gefallen und hätte ich als stimmiger empfunden. Details dazu kann ich nicht nennen, da ich nicht spoilern möchte. Ich kann aber verstehen, warum sich die Autorin dafür entschieden hat, auf die Tube zu drücken.

 

Mir ist das Buch auf Instagram aufgefallen und hatte auf Grund des schönen Covers sehr schnell meine Aufmerksamkeit erhalten. Ich folge der Autorin und als ich das Buch für einen queeren Büchertisch hier vor Ort vorschlagen durfte, war ich ganz eigennützig richtig froh, dass es genommen wurde, denn so konnte ich es jetzt auch lesen und ein wenig Werbung machen. Es ist ganz sicher nicht das letzte Buch der Autorin, das ich lesen werde. Ich werde ihr weiter folgen und wünsche ihr auf diesem Wege viel Erfolg für weitere Veröffentlichungen.

 

Das Buch kann ich uneingeschränkt allen empfehlen, die Interesse an Bücher über Selbstfindung haben. Ich vergebe 5 Punkte und bedanke mich sehr herzlich bei der Autorin für das Verfassen dieses schönen Textes - auch wenn er am Ende wie wir alle nur in Sternstaub verfallen wird. Vielen Dank, Esra Groll für Felix, Alex und all die anderen toll geschriebenen Figuren!

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