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Yes or No von Nadine Schwager & Yves Flavian

Dramatische queere Liebesgeschichte mit Öko-Kriminalfall, trans Repräsentation und sympathische Nebenfiguren

 

Das Autor*innenduo Nadine Schwager und Yves Flavian wagt ein Genre-Mix aus Öko-Kriminalfall und einer romantischen Liebesgeschichte und beides profitiert voneinander! Leider konnte mich eine der Hauptfiguren nicht überzeugen - dazu mehr weiter unten.

 

Yannik ist fest vergeben und überzeugt, Hetero zu sein, als er Neo trifft. Während Yannik sich gemütlich eingerichtet hat in seinem Lügengebilde und sich nicht nur innerhalb der Beziehung zur schönen Claudia verbiegt, sondern auch in seiner beruflichen Laufbahn, hat Neo bereits der Wahrheit ins Gesicht geblickt. Er ist ein trans Mann; selbstbewusst, gefestigt und zufrieden geht er seinem Traumjob nach. Kann er schaffen, Yanniks Lügengebilde wie ein Kartenhaus zerbrechen zu lassen?

 

Neo ist eine wundervolle Figur. Mit seiner sympathischen, offenen und herzlichen Art überzeugt er die Lesenden fast sofort. Seine trans Identität wird beiläufig erwähnt und wie selbstverständlich eingeflochten, ohne auf eine unsensible Art in den Vordergrund zu rücken. Seine Erlebnisse mit Diskriminierung wird nicht beschönigt, aber es ist nicht Hauptbestandteil seines Charakters. Das hat mir sehr gut gefallen. 

 

Weniger gut gefallen hat mir die zweite Hauptfigur. Yannik ist verunsichert, unsicher im Umgang mit seinem Vater, mit seiner eigenen Identität und auch wenn er fast zehn Jahre älter als Neo ist, ist er erheblich unreifer. Das alleine hat mich wenig gestört, sondern ist spannend. Mit seinen Gefühlsschwankungen kam ich jedoch nicht gut klar. In meinen Augen wurde hier eine behutsamere Figurenzeichnung der Dramatik des Plots untergeordnet. Von "ich bin überhaupt nicht schwul" zu "yeah, bin der schwulste Typ des Planeten" vergeht mir zu wenig Zeit und sein Umgang sowohl mit Claudia als auch mit Neo haben mich gestört. Die überraschende Wendung gegen Ende in Bezug auf Claudia hat nichts von Yanniks vorhergehendes Verhalten wieder gut gemacht. Wie oben erwähnt, der grundlegende Konflikt ist nachvollziehbar und ich verstehe auch den Druck, unter dem sich Yannik krümmen muss, da er sowohl beruflich als auch privat einem Bild entsprechen muss, das er so nicht sein kann und will. Etwas mehr Reflektion, Innehalten und Durchatmen hätte ich von einem erwachsenen Mann, der ja trotz allem innerhalb eines liebevollen sozialen Netzes aufgefangen würde schon erwartet. Das alles macht eine Figur nicht zu einer schlecht geschriebenen Figur, sondern zu einer Figur, in der ich noch viel Entwicklungspotenzial sehe. Daher freue ich mich auch auf die weiteren Bücher über Yannik.

 

Dann waren da noch die Nebenfiguren, die mich sowas von überzeugt haben. Die Geschwister von Yannik, Neos beste Freundin - so viel Lebendigkeit und Charaktertiefe. Starke Frauenfiguren, beiläufige, natürliche Repräsentanz einer bi-Figur, Mutterfiguren, die nicht nur durch die Kinder identifiziert werden - wunderbare Vielfalt und Tiefgang. Dadurch wirkt der Roman und das Umfeld der beiden Männer natürlich, lebendig und es macht einfach Spaß, die Szenen mit diesen Nebenfiguren zu lesen.

 

Der Kriminalfall, in den sowohl Neo als auch Yannik verstrickt werden, ist spannend und würzt die Geschichte mit Action und Spannung. Das hat mir gut gefallen, weil es den Fokus der Liebesgeschichte nimmt und Gelegenheit gibt, die Figuren auch in anderen Konstellationen kennenzulernen. Liebesgeschichte und Kriminalfall wurden auch geschickt miteinander verstrickt, sodass diese sich weder gegenseitig die Show stehlen, noch sich im Weg stehen, sondern sie werden beiläufig miteinander verwoben. Auch das hat mir sehr gut gefallen.

 

Auch die Liebesgeschichte mag überzeugen. Es ist süß, wie die beiden sich annähern, der Umgang mit der trans Thematik ist von Seiten Yannik auch realistisch dargestellt, manchmal ungewollt verletzend, oft unterstützend. Es gibt ausreichend Spice, den ich persönlich nicht in der Intensivität gebraucht hätte, der aber den Fluss der Geschichte nie stört oder in die Länge zieht.

 

Ich wünsche mir allerdings wirklich, die Figur Claudia hätte es nicht gegeben. Yannik hätte auch dann genug Struggle gehabt und es hätte durch seinen Job, durch seinen Vater, durch seine Überzeugung Hetero zu sein, doch eindeutig genug Dramatik gehabt. Claudia ist eine zutiefst nervige Figur, gleichzeitig ein Opfer, deren Behandlung ich Yannik leider nie verzeihen konnte.

Die Geschichte möchte ich gerne empfehlen, denn sie ist spannend geschrieben, hat einen sympathischen Cast (bis auf Yannik zu Teilen und Claudia gänzlich), einen interessanten Kriminalfall und einen respektvollen und wichtigen Umgang mit Neos Transidentität. Es ist ganz bestimmt nicht das letzte Buch von Nadine Schwager und / oder Yves Flavian. Da weitere Bücher geplant sind, werde ich sicherlich auch die Fortsetzung um die Geschichte zwischen Yannik und Neo weiterverfolgen. Ich bin neugierig - und vielleicht erhält Yannik in dem Nachfolger die Chance endlich bei sich


anzukommen, mit sich ins Reine zu kommen und sein Leben anzupacken. Ich würde es ihm ja irgendwie schon auch wünschen. Vielleicht braucht er wirklich etwas Zeit - auch mal für sich alleine.

 

Ich wünsche dem Autor*innenduo alles Gute und ich werde die Arbeit von beiden weiter verfolgen. Beide haben spannende Soloprojekte, schreiben aber auch weiterhin als Duo - es ist sicherlich interessant, zu sehen, wie sie solo schreiben.

 

Ich vergebe 4,5 Punkte - ein halber Punkt Abzug für Yannik ;)

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