
Entwicklungsroman mit interessantem Setting und einer romantischen Liebesgeschichte, in dem die Autorin auch eigene Erlebnisse verarbeitet.
Henrik und Noëlie sind grundverschieden. Henrik ist sportlich, erfolgreich im Job und ist wenig begeistert, als er erfährt, dass er in sein Heimatdorf reisen muss, um sich um seine Mutter zu kümmern. Noëlie allerdings ist nach einem Unfall auf Krücken angewiesen und nach dem Verlust ihres Bruders hat sie zusätzlich mit Depressionen zu kämpfen. Ihr Nähladen läuft nicht gut. Als Henrik in den Laden kommt, um Material für seine Mutter zu kaufen, beginnen sich die zwei Leute durchaus interessant zu finden ...
Der Entwicklungsroman der Autorin Jes Schön spielt auf zwei Zeitebenen: Der Gegenwart, die abwechselnd die Perspektiven von Henrik und Noëlie einnehmen, und die Vergangenheit, die lediglich Noëlies Blick auf die Ereignisse beinhalten. Ersteres ist zunächst einfach eine Liebesgeschichte, die schön geschrieben ist, langsam erzählt wird und in liebevollen Settings stattfindet (Nähladen, Winterlandschaft, einsames Haus in Schweden etc.). Letzteres ist aus meiner Sicht das Herzstück des Romans, authentisch erzählt, durchaus schmerzvoll und, was mir besonders gefallen hat, gesellschaftskritisch. Im Nachwort - oder wenn man der Autorin auf Instagram folgt - erfahren Lesende, dass es die eigene schmerzhafte Vergangenheit ist, die die Autorin dort verarbeitet. Das merkt man auch, denn die Erzählweise ist dicht und intensiv erzählt und hat mir persönlich besser als der Gegenwartsstrang gefallen. Es ist im Übrigen nicht die eigentliche Behinderung - zumindest mein Empfinden - die Noëlie so sehr erschüttert (natürlich auch das, aber das lässt sich nun leider nicht verändern), sondern der Umgang damit. Sie muss lange auf Termine warten, auf die Bewilligung von Hilfsmitteln hoffen, als wären diese ein Nice-to-have, gerät als selbstständige Geschäftsfrau in finanzielle Notlage, wird von Ärzten/Ärztinnen nicht ernst genommen, oft einfach belächelt. Psychische Begleiterscheinungen werden als Ausrede genutzt, körperliche Schmerzen nicht weiter zu behandeln - ohne zumindest diese vernünftig zu behandeln? Möchten wir als reiche Gesellschaft so mit Menschen umgehen, frag ich mich als Lesende. Und bin dankbar, dass die Autorin die Frage an uns richtet. Deutschland bildet in Europa das Schlusslicht, was Inklusion angeht - leider.
Dem Gegenwartsstrang fehlt es - meinem subjektiven Empfinden nach - etwas an Plot, Nebenplots, Nebenfiguren bzw. Leben. Ich hätte mir hier etwas mehr Straffung gewünscht, da ansonsten der Vergangenheitsstrang zu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Der hat mir wie gesagt unglaublich gefallen, nimmt aber dann wieder weniger Raum ein, als der Gegenwartsstrang, in dem deutlich weniger passiert. So unterscheiden sich die jeweiligen Erzähltempos der Figuren.
Die Figuren sind mir schnell ans Herz gewachsen, sie agieren sehr lebensnah, wenig klitschehaft und entwickeln sich im Verlauf der Handlung auch, ohne sich selbst untreu zu werden. Besonders Henrik hat mir gut gefallen, da er zu Beginn als eher oberflächlich eingeführt wird, das Klitsche aber dann doch gar nicht erfüllt.
Weiterhin positiv hervorzuheben ist das Cover, das die schöne, winterliche, ruhige Atmosphäre des Romans sehr hervorhebt und bereits vor dem Lesen die richtige Stimmung erzeugt. Wir sehen eine dörfliche, verschneite Straße, rechts und links säumen Häuser den Weg, aus denen vereinzelt auch Licht scheint. Der Himmel ist rosa, glänzend und die Schrift darauf (Heartsteps) in einem zarten rotbraun. Der Untertitel ist in schwarz hinzugefügt worden: Zwischen Schmerz und Hoffnung.
Ich möchte das Buch andere Lesenden empfehlen, die interessiert sind an Liebesgeschichten, die etwas mehr als nur die übliche Romantik zu bieten hat. Ich bedanke mich sehr bei der Autorin für das Textlesendeexemplar, das ich vorab lesen durfte. Ich denke, es ist wichtig, dass eigene Erfahrungen in Romane einfließen, und das Thema der mangelnden Inklusion und dem überlasteten Gesundheitssystem sind und bleiben auch weiterhin wichtig und müssen von Betroffenen und natürlich auch Nicht-Betroffene angesprochen werden. Ich wünsche Jes Schön mit ihrem Roman Heartsteps viel Erfolg, viele Lesende und einen erfolgreichen Release-Tag!
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