
Zwei Brüder, eine Frau und ein Familiengeheimnis - ein Liebesdrama mit viel Gefühl für die Figuren abseits des einfachen gut/böse Schemas.
Juliane Schmelzer gelingt es eine klischeebehaftete Grundprämisse mit Tiefe auszustatten und die Figuren lebensecht zu beschreiben und ein Familiengeheimnis in ein Beziehungsdrama einzubetten, das nicht von unsympathischen Menschen verursacht wird, sondern von Menschen, die etwas verloren haben und von der Angst vor weiteren Verlust getrieben werden.
Izzi und Ben sind verheiratet. Mit seinen Eltern versteht Izzi sich nicht gut, aber die Ehe verläuft gut. Dann plötzlich taucht ein Bruder auf, von dem Izzi nichts weiß, und als sie sich in ihn verliebt, erscheint die Situation hoffnungslos. Warum hat ihr Ben nie was von Dean, dem verschollenen Bruder erzählt? Warum ist Dean gegangen? Und warum ist er überhaupt zurückgekommen?
Die Geschwisterbeziehung zwischen Ben und Dean ist voller Tiefe und Gefühl. Die beiden haben ein schwieriges Verhältnis und der Autorin gelingt es, die Konflikte zwischen ihnen aufzuzeigen, ohne einen von beiden als den alleinigen Verursacher dessen hinzustellen. Die Männer sind nicht leicht in gut und böse aufzuteilen, tragen sie doch beide beides in sich. Schuld und Liebe. Auch die Nebenfiguren sind voller Lebendigkeit und an keiner Stelle klischeehaft dargestellt. Besonders die Rolle der Eltern hat mich positiv überrascht. Sie sind nicht das, was sie auf den ersten Blick zu sein scheinen. Das hat mir sehr gefallen!
Kommen wir zu Izzi, die in dem Figurenensemble das schwächste Glied ist. Ihre Naivität, ihre Unselbstständigkeit verursacht vieles des Plots, aber weil wir sie nicht wirklich verstehen können, nervt das zunehmend. Sie hat eine Hintergrundgeschichte, die vieles von ihrer Motivation erklärt, aber gefühlt habe ich es nicht. Ich wollte sie packen, schütteln, und war enttäuscht, weil sie Fehler für Fehler gemacht hat. Es ist sehr schade, dass ich keinen Zugang zu ihr fand, weil ich an dieser Stelle eine starke Frauenfigur gebraucht hätte.
Andererseits? Hätte der Plot mit einer Izzi funktioniert, die kalkuliert, für sich einsteht und Grenzen aufzeigt?

Das Cover sieht wunderschön aus, und hat in mir das erste Grundinteresse geweckt. Es ist hellblau, übersäht mit dunkelblauen Rosenblättern und silbernen Figuren, die ein Teil der Handlung andeuten: Herzen, Notenschlüssel und Paragrafen. Notenschlüssel für Dean, Paragrafen für Ben und die Herzen? Diese für Izzi. Vielleicht hier bereits eine Andeutung, dass bei Izzi etwas fehlt.
Das Buch wird aus der Ich-Perspektive und aus der Erzählperspektive erzählt. Immer abwechselnd, meistens haben die Brüder die Ich-Perspektiv erhalten, Izzis Sicht wurde meist aus der dritten Perspektive erzählt. Die wechselnde Perspektiven stören nicht so sehr, wie ich anfangs erwartet hätte. Ich habe das Hörbuch gehört. Die Passagen werden abwechselnd gelesen. Eine männliche Stimme übernimmt die Ich-Perspektive, während die weibliche Stimme die Erzählerperspektive übernommen hat. Die beiden Stimmen waren sehr angenehm und ich kann das Hören des Hörbuchs auch abseits des Plots empfehlen.
Es ist der erste Teil eines Zweiteilers und ich werde auf jeden Fall weiterlesen bzw. weiterhören und ich hoffe sehr, dass Izzi mir in diesem nächsten Teil etwas näher kommt und sie weiter entwickelt wird oder die Gründe ihrer Schwächen deutlicher ausformuliert werden, damit sie etwas mehr Form und Tiefe erhält.
Juliane Schmelzer verarbeitet in dem Buch auch Themen, wie unerfüllter Kinderwunsch und Alkoholabhängigkeit. Beide Themen sind gut recherchiert und werden einfühlsam aber eindringlich beschrieben. Da ich mit beiden Themen schon Berührung hatte, kann ich sagen, dass die Autorin diese sehr sorgfältig einfügt, auch hier nie ins Klischeehafte abdriftet und ihre Figuren auch mit schmerzhaften Konsequenzen konfrontiert. Das hat mir neben der Geschwisterbeziehung am besten gefallen.
Ich werde die Romane der Autorin weiter im Auge behalten und kann das Lesen von Drei Arten Schuld sehr empfehlen. Ich wünsche der Autorin alles Gute für die weitere Schreibtätigkeit und bin gespannt, was wir noch von ihr erwarten dürfen. Drei Arten Schuld hat viele Leser*innen verdient. Trotz meiner Schwierigkeiten mit der Figur Izzi bin ich von dem Roman überzeugt und hoffe auf eine weitere Entwicklung der Protagonistin im Nachfolgeband.
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